Lust und Frust beim Musizieren, Üben und Lernen

Musik soll Spaß machen! Und wenn es keinen Spaß (mehr) macht, sondern sogar frustrierend ist – was dann? Mache ich was falsch und wenn ja: wie kann ich es richtig machen?

Immer wieder erlebe ich es im Unterricht und auch bei mir selbst, wenn ich Musik praktiziere: Lust und Frust liegen oft nahe beieinander. Aus der Lust an der Musik kann Frust werden – und umgekehrt.

Ich glaube, dass angehende Musiker manchmal eine falsche Vorstellung vom Musikmachen haben, nämlich dass man als Musiker einen immerwährenden Genuss beim Musizieren hat und nur wer es nicht kann oder unbegabt ist, hat keinen Spaß. Das ist natürlich unrealistisch und sollte jeder aus eigener Erfahrung kennen. Es gibt wohl keine selbstgewählte Betätigung auf dieser Welt, die nicht – zumindest manchmal – frustrieren oder nervig sein kann. Das ist völlig unabhängig davon, ob man Musik als Hobby oder beruflich betreibt, oder man Anfänger oder Profi ist – in der Musik gibt es ein stetes Auf und Ab wie auch sonst im Leben.

Wichtiger finde ich deshalb die Frage: wie gehe ich damit um, wenn ich Frust oder Lustlosigkeit verspüre? Meiner Meinung nach zeigt sich in diesem Fall, wer es mit der Musik wirklich ernst meint, auch wenn es „nur“ eine Freizeitbeschäftigung ist. „Ich mache Musik nur zum Entspannen und Spaß haben.“ – So oder so ähnlich lautet die Beschreibung von einigen Anfängern in der ersten Stunde. Natürlich möchte ich, dass meine Schüler Spaß haben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mit dem Begriff „Spaß“ meine Probleme habe, weil es mir zu sehr nach oberflächlichem Konsum klingt. Besser gefällt mir die Beschreibung „Freude an etwas haben“. Damit meine ich, dass man Freude daran hat, etwas dazu zu lernen, die Musik zu entdecken und zu „erreichen“ und vor allem daran, dass man sich das alles selbst erarbeitet hat. Das ist ein sehr wichtiger Punkt: Wenn man ins Kino geht, um sich einen Unterhaltungsfilm anzuschauen, muss man nicht besonders viel dazutun: Hingehen, Eintritt bezahlen, Film anschauen. Das war´s auch schon. Klingt nicht besonders anstrengend und ich spreche hier natürlich nur von seichter Unterhaltung (ein Lars von Trier Film beispielsweise kann ganz schön fordernd sein). Wenn man ein Instrument lernt, sieht es allerdings ganz anders aus: Hier muss man normalerweise erstmal eine ganze Menge Eigenleistung erbringen, bevor das, was man fabriziert, auch tatsächlich nach Musik klingt. Mit dem Kinobesuch könnte man das so vergleichen: Wenn man ein Instrument lernt, wäre das so, als würde man lernen wie man einen Film selber macht oder zb. wie man Schauspieler wird um dann in einem Film mitzuspielen. Das klingt jetzt stark danach, als würde ich hier eine Binsenweisheit verkünden – aber ich habe oft das Gefühl, dass manche Leute denken, dass ich als Lehrer ein paar ganz einfache Tricks kenne – und schon klappt alles wie von selbst und man kann ganz entspannt spaßige Musik machen. Nun, wäre es so einfach – ich wäre wohl arbeitslos.

Und wie und warum entsteht dann ein „Frustgefühl“? Ich würde sagen, das passiert vor allem dann, wenn man über einen längeren Zeitraum (der bei jedem ganz anders sein kann) das Gefühl hat, nicht mehr „weiterzukommen“ bzw. nicht „Neues“ mehr dazu zu lernen. Ich schreibe das ganz bewusst in Anführungszeichen, weil ich als Lehrer regelmäßig die Erfahrung mache, dass ich Fortschritte bemerke, die von meinem Schüler so gar nicht wahrgenommen werden. Das kenne ich auch aus eigener Erfahrung: das Gefühl, nicht weiterzukommen obwohl ich regelmäßig übe. Das kann nun verschiedene Ursachen haben: erstens kann man ja tatsächlich auf der Stelle treten, weil man zu wenig oder falsch übt. Aber oft liegt es eher daran, dass es ganz normal ist, zumindest zeitweise keine deutlich sichtbaren Fortschritte zu erzielen. Wer mal länger und intensiver Sport gemacht hat, sollte es kennen: in der Anfangszeit macht man bedeutende und deutlich sichtbare Fortschritte, aber später kommen dann längere Phasen wo man sich – scheinbar – nicht mehr wirklich weiter entwickelt. Meiner Erfahrung nach sind das aber genau die Zeiten in denen der Fortschritt sich – sozusagen – im Hintergrund entwickelt und dann erst später als solcher wahrgenommen wird: „Auf einmal geht das. Das konnte ich ja noch nie!“ Und weil sich der Fortschritt in dieser Disziplin nicht linear entfaltet, kann es sein, dass man kurzfristig etwas deutlich besser spielen kann, am nächsten Tag aber schon nicht mehr. Auch das macht vielen Leuten zu schaffen: die musikalische Entwicklung ist ein ständiges Auf und Ab und was man plötzlich zum ersten mal sauber gespielt hat, klappt morgen schon nicht mehr, dafür aber in 3 Tagen wiederum noch besser usw. Nur auf längere Sicht erkennt man doch recht deutlich eine stete Entwicklung nach oben – vorausgesetzt man bleibt am Ball! Und genau hier kann das Frustgefühl dazu führen, dass manche Leute das Üben stark reduzieren oder sogar ganz aufgeben – weil „es keinen Spaß mehr macht.“ Und das ist dann wirklich Schade, vor allem wenn man schon einiges erreicht hat.

Ein anderer Grund für ein starkes Gefühl der Lustlosigkeit kann auch sein, dass man über- oder unterfordert ist. Hier sollte man seinen Lehrer ansprechen und versuchen, das Pensum und/ oder die Inhalte anzupassen. An dieser Stelle kommt dann manchmal der Vorschlag, jetzt mal keine Übungen mehr zu machen sondern zur Motivation „Ein Lied“ zu spielen. Ehrlich gesagt wäre ich ein schlechter Lehrer, wenn ich zulassen würde, dass mein Schüler vom einmal eingeschlagenen Weg abweicht – nur weil es jetzt mal ein wenig unangenehm wird. Dennoch ist es sehr wichtig, regelmäßig zu hinterfragen, ob die Richtung so beizubehalten ist und ob man sich noch mit den richtigen Übungen beschäftigt.

Prinzipiell würde ich, wenn das Gitarre – oder Bassspielen keinen Spaß mehr macht, erstmal herausfinden wollen, woran es denn genau liegt: muss man anders oder gezielter üben? Oder liegt hier die oben genannte „Durststrecke“ vor, also lautet die Herausforderung jetzt: Durchhalten?

Man kann die ganze Sache übrigens auch wissenschaftlich betrachten: Ein Lustgefühl entsteht vor allem durch die Ausschüttung von Dopamin im Lustzentrum des Gehirns. Das passiert wahrscheinlich vor allem bei neuen und intensiven (positiv empfundenen) Erlebnissen bzw. die Erwartung darauf, dass es passieren wird. Wenn man nun seine immer gleichen Fingerübungen repetiert, versiegt das Dopamin – und damit auch das Lustgefühl, da ja nichts Neues mehr passiert. Man hat also keinen „Spaß“ mehr, ist nicht mehr motiviert. Ein Vorschlag wäre daher, monotone Fingerübungen (die manchmal enorm wichtig und sehr effektiv sind um die motorischen Fähigkeiten zu entwickeln) zu mischen mit ein paar Songs oder Liedern, coolen Gitarrenriffs etc. – um dem Gehirn zwischendurch mal ein „Zückerchen“ hinzuwerfen. Und: immer mal wieder die nächsten Ziele im Unterricht ansprechen, dann weiß man wenigstens wofür man sich abrackert 😉

Ich würde zusammenfassend sagen, dass man zum Erlernen eines Instrumentes schon eine gewisse Frustresistenz mitbringen muss – sonst wird man scheitern und ganz bestimmt nur sehr wenig „Spaß“ haben. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass meine Schüler ab einem bestimmten Punkt normalerweise nicht mehr aufgeben: nämlich wenn sie einmal das Erlebnis hatten, sich – mit einer gewissen Anstrengung – ein neues Level erarbeitet zu haben: dann entsteht ein tief befriedigendes Gefühl der Freude. Das motiviert dann normalerweise fast jeden Schüler bzw. Musiker jetzt auch das nächste und dann wiederum das nächste Level erreichen zu wollen – jetzt versiegt die Motivation nicht mehr so schnell.